Werkstatt
Unsere Zusammenarbeit mit Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM)
Natürlich ist uns auch bewusst, dass das System WfbM häufiger in der Kritik steht und wir kennen die viel diskutierten Punkte. Da das Thema unserer Meinung sehr komplex ist und es viele Aspekte zu berücksichtigen gilt, möchten wir euch an dieser Stelle ein paar generelle Infos mitgeben und auch darauf eingehen, wieso wir uns für die Zusammenarbeit entschieden haben, wie wir diese ausgestalten und was wir uns zusätzlich überlegt haben, um den Beschäftigten unsere Wertschätzung (auch monetär) auszudrücken.
Wenn du deinen Adventskalender in den Händen hältst, fällt dir anhand der wunderschön und sorgfältig eingepackten Geschenke sofort auf: Das ist Handarbeit!
2018, als wir Adventsome gegründet haben, haben wir, Lea und Josias, alles zu zweit gemacht. Auch und insbesondere das Verpacken der Geschenke, was für die 500 Kalender mehrere Monate über 10 Stunden täglich gedauert hat. Wir wissen also, wieviel Arbeit das ist und schätzen diese ungemein!



Dadurch, dass wir seit 2019 mit Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) im Kölner Raum zusammenarbeiten, die diese Aufgabe übernehmen, können wir uns auf die anderen Themen, die bei Adventsome zu tun sind, konzentrieren und dafür sind wir super dankbar. In Gesprächen, die wir vor Ort mit den Leiter:innen, aber auch den Beschäftigten führen, erfahren wir jedes Mal, dass das Verpacken der Geschenke dort einer der sehr beliebten Aufträge ist, viel Spaß macht und einen Mehrwert bietet, was uns jedes Mal wieder in unserer Entscheidung bestärkt, weiterhin mit den Einrichtungen zusammenzuarbeiten.

Gerne möchten wir euch hier, damit ihr Gesichter zu den liebevoll verpackten Geschenken habt, schon mal Jenny aus unserem tollen Verpackungsteam vorstellen:

Jenny
Hobbies & Interessen: Oper, Theater, Fantasy-Romance wie “Herr der Ringe”, Pferde, Hunde und Kaninchen
“Das Einpacken hat mir besonders Spaß gemacht. Viele Grüße an alle!”

Was verdienen die Menschen in WfbM?
Die am häufigsten gestellte Nachfrage zum Thema Werkstätten ist immer „was wir den Beschäftigten für einen Lohn zahlen.“ Die Antwort lautet: Wir selbst zahlen ihnen gar keinen Lohn, sondern die Werkstätten tun dies. Wieviel das ist, entscheiden weder die Werkstätten noch wir, sondern es ist im SGB IX normiert und bemisst sich auch am wirtschaftlichen Erfolg der Werkstatt, denn mind. 70% der Einkünfte müssen direkt an die Beschäftigen ausgezahlt werden. In NRW liegen wir hier ca. bei 180€ monatlich. Als staatlich geförderte Einrichtungen müssen sich die Werkstätten an diese Vorschriften halten.
Eine Kooperation läuft so ab, dass wir auf die Werkstätten zugehen und unseren Auftrag vorstellen. Dann erhalten wir ein Angebot, was preislich mit dem vergleichbar ist, was wir auch in Betrieben auf dem sogenannten ersten Arbeitsmarkt zahlen würden. Entgegen häufiger Annahmen sind Werkstätten auch nicht die günstigste Option für uns.
Bei den Beschäftigen in Werkstätten ist jedoch nicht nur das Entgelt zu berücksichtigen. Es ist ja klar, dass nur davon niemand leben könnte, sondern es eher vergleichbar mit einem Taschengeld ist. Wegen ihrer dauerhaften vollen Erwerbsminderung erhalten die Beschäftigen daher zur Sicherstellung ihres Lebensunterhaltes Grundsicherung und verschiedene Sozialleistungen, sodass sie im Schnitt auf 1.200€ netto kommen. Zudem werden ihre Rentenbeiträge aufgestockt.
Auch das ist natürlich nicht viel. Was wäre, wenn man den Beschäftigten trotzdem einfach mehr Lohn zahlen würde, z.B. auch in Form eines Urlaubsgeldes? Dieser Betrag würde ihnen bei der Grundsicherung abgezogen und somit nichts bringen.
Ihr seht – es ist nicht so leicht und hat viel mit Politik und System zu tun. Die geltenden Gesetze schränken die Werkstätten in ihrem Handlungsspielraum sehr ein. Aktuell gibt es aber eine entsprechende Initiative auf Bundesebene: Der Deutsche Bundestag hat die Bundesregierung aufgefordert, „innerhalb von vier Jahren unter Beteiligung der Werkstatträte, der BAG WfbM, der Wissenschaft und weiterer maßgeblicher Akteure zu prüfen, wie ein transparentes, nachhaltiges und zukunftsfähiges Entgeltsystem entwickelt werden kann“. So soll es auch eine breit angelegte Studie geben und das Thema mehr Aufmerksamkeit erhalten.

Welche Vorteile sehen wir in der Kooperation mit WfbM?
Bis dahin können die Werkstätten nur das umsetzen, was heute gilt. Wir können nur für unsere Partner-Werkstätten sprechen und sind bei ihnen überzeugt, dass sie in diesem Rahmen ihr Bestes tun, um den Beschäftigen den größtmöglichen Mehrwert und Förderung zukommen zu lassen.
(1/3) Zugehörigkeitsgefühl & geschützer Rahmen
In erster Linie sind die Werkstätten als eine Art Reha-Einrichtung zu sehen. Sie sind keine profitorientierten Unternehmen und existieren nicht, um Aufträge wie unseren zu erledigen, sondern die Betreuung und Förderung der Beschäftigten spielt die zentrale Rolle. Dementsprechend werden auch nur Aufträge angenommen, die die Beschäftigten fördern und nicht stressen. Diese werden dann zerpflückt in ihre Einzelaufgaben, den Beschäftigen so zugeteilt, dass sie was lernen können, bestimmte Fähigkeiten verbessern etc. Über diesen ganzen Prozess wird auch Protokoll geführt, es wird geschaut, wo Maßnahmen angepasst werden können etc. etc. Das oberste Ziel ist hierbei immer die positive individuelle Entwicklung der beschäftigen Person!
Wir schauen auch, dass wir von unserer Seite aus dazu beitragen, dass unser Auftrag soviel Mehrwert wie möglich bietet. So timen wir z.B. die Anlieferung der 20 Geschenke für euch so, dass die lange haltbaren Dinge möglichst früh (teilweise schon im Frühling) geliefert werden, um mit dem Verpacken zu starten, sodass kein Zeitdruck entsteht, sondern ganz entspannt gearbeitet werden kann.
Nachdem wir das Feedback bekommen haben, dass die Beschäftigen vor allem gerne die Geschenke einpacken und nicht so gerne die Aufgaben des Konfektionierens (also dafür sorgen, dass in jedem Adventskalender 20 Geschenke, 4 Spenden, Postkarten und Sticker enthalten sind) und Versandfertigmachens, welche bis 2021 auch noch in WfbM stattfanden, haben wir diese beiden Punkte deshalb jetzt an ein Logistikunternehmen in Mannheim ausgelagert. Somit verbleibt ausschliesslich das Einpacken der Geschenke in den WfbM.
Wir sind dauerhaft in Gesprächen mit unseren Werkstätten und arbeiten mit den Rückmeldungen der Leiter:innen sowie Beschäftigten.


(2/3) Strukturen, die Sicherheit geben
Der Tagesablauf, die Arbeit und auch der Zusammenhalt der Teams innerhalb der Werkstatt ist für viele der Beschäftigen essentiell. Wir haben in Gesprächen erfahren, dass sie während des Lockdowns sehr darunter gelitten haben, nicht kommen zu können. Hier fanden wir es großartig zu sehen, was die Leiter:innen für lockdown-konforme Alternativprogramme auf die Beine gestellt haben, um es den Mitarbeitenden leichter zu machen.
Auch, wenn viel über Inklusion geredet wird, ist unsere Gesellschaft noch nicht an dem Punkt, dass diese tatsächlich auch überall gelebt wird und behinderte Menschen nicht ausgeschlossen oder diskriminiert werden. Die Werkstätten sind für die Menschen ein Ort, an welchem sie sich zugehörig fühlen. Es entstehen Freundschaften und Beziehungen. Wenn Partner:innen wie wir auch regelmäßig in den Werkstätten vorbeischauen, finden auch hier schöne Begegnungen statt.
Auch gibt es Freizeitangebote, an denen die Beschäftigen teilnehmen können. Vor Kurzem z.B. ein Grillfest – da sind wir auch dazugekommen und haben einen Churros Food Truck mitgebracht. Wir hatten einen sehr schönen Nachmittag zusammen mit allen!
(3/3) Ein sicherer Arbeitsplatz
Was auch noch wichtig ist, zu wissen: Der Arbeitsplatz in der Werkstatt ist sicher. Auch, wer eine lange Zeit ausfällt, braucht keine Angst haben, gekündigt zu werden. Das liegt daran, dass die die Mitarbeitenden in einem „arbeitnehmerähnlichen Verhältnis” stehen und somit die Schutzrechte von Arbeitnehmer:innen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben wie z.B. Urlaubsanspruch, jedoch nicht deren Pflichten, z.B. auch keine Leistungsverpflichtung.
Unser Fazit & Kooperation mit tip me
Der Nutzen von Arbeit geht auch über den monetären Aspekt hinaus, das zeigt sich bei näherer Betrachtungsweise deutlich. Arbeit gibt das Gefühl, gebraucht zu werden, stiftet Sinn, kann Spaß machen, ein Teamgefühl mit sich bringen, hilft, bestimmte Fähigkeiten (weiter-) zu entwickeln etc. Bevor es WfbM gab, hatten viele behinderte Menschen keine Möglichkeit, irgendwo zu arbeiten.
Dennoch finden wir auch, dass die Menschen dort mehr Geld bekommen sollten. Damit es nachhaltig und für alle Beschäftigten in allen Werkstätten dazu kommen kann, muss sich die rechtliche Lage ändern.
Gemeinsam mit dem Social Startup tip me hatten wir letztes Jahr erstmalig die Idee, diese Regeln rund um das, was den Beschäftigten, die bei Adventsome mitwirken, gezahlt werden kann, ein bisschen „auszutricksen“. Wir haben Trinkgeld gegeben – und viele von euch haben sich auch an dieser Aktion beteiligt – welches wir dann in Form von universell einsetzbaren Geschenkgutscheinen den Beschäftigten aushändigen konnten, ohne, dass es ihnen an anderer Stelle fehlt.
So etwas planen wir auch 2022 wieder und werden euch hier (und die, die einen Adventskalender gekauft haben, auch per Mail) updaten! Im Rahmen dieser Aktion haben viele unserer Kund:innen ihr Trinkgeld auch mit persönlichen Grüßen und Danksagungen an die Beschäftigten versehen. In den Werkstätten wurden diese dann vorgelesen – und die Freude hierüber war riesig.
„Wunderbare Idee und Wertschätzung für alle helfenden Hände!!! Vielen Dank :-)“
„Ihr Lieben, DANKESCHÖN! Für eure Freude & Liebe beim Einpacken jedes einzelnen Geschenkes! Dankeschön, dass es euch und eure Arbeit gibt, denn ist eine wichtige & wertvolle – jede/jeder einzelne von euch ist ganz unersetzlich! Dankeschön, dass ihr unseren Dezember so besonders schön habt werden lassen! Alles erdenklich Gute & Liebe wünschen euch Tobi & Melanie“
Wir danken allen, die mitgemacht haben und Trinkgeld gegeben sowie Grüße wie die beiden obigen verfasst haben, sehr. Dass ihr für unsere Idee so offen wart und euch so zahlreich beteiligt, schätzen wir total und es hat uns (erneut) gezeigt, dass wir mit Adventsome genau die Menschen erreichen, die wir uns als Community wünschen.
Wenn ihr möchtet, könnt ihr uns auch so jederzeit eure Worte an die Beschäftigen schicken und wir leiten sie weiter!
Ein Tipp: Weiterführende Lektüre von MARI&ANNE und hejhej-mats
Zudem möchten wir euch noch ein Informationsdokument zu diesem Thema ans Herz legen, welches von den Startups MARI&ANNE und hejhej Mats erstellt wurde.